20

 

Der Nachmittag des nächsten Tages rückte heran. Sam Clemens und John Lackland hatten sich den ganzen Morgen über gestritten. Schließlich raffte sich Sam auf, vergaß alle Vorsicht und Zurückhaltung und sagte: »Wir können es uns einfach nicht leisten, daß Hacking uns von seinem Bauxit abschneidet! Wir können uns überhaupt nichts leisten, was den Bau unseres geplanten Schiffes verhindert! Ich glaube beinahe, daß du dich nur deswegen so aufführst, weil du es darauf anlegst, einen Krieg zwischen Soul City und uns zu provozieren. Aber damit kommen Sie nicht durch, Majestät!«

Die ganze Zeit über, während er diese Worte von sich gegeben hatte, war Sam auf und ab gegangen. John hatte sich vor seinem runden Eichentisch in einen Sessel geflegelt, während Joe Miller in einer Ecke des Raumes auf einem extra für ihn angefertigten Stuhl hockte. Der hünenhafte, dem Paläolithikum entstammende Mongole Zaksksromb hatte hinter John Stellung bezogen.

Sam wirbelte plötzlich herum, knallte beide Fäuste auf die Tischplatte, stützte sich darauf ab, während die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen wanderte, runzelte die Stirn und fuhr aufgebracht fort: »Du hast nur einmal nachgegeben, und zwar damals, als du die Magna Charta unterzeichnet hast. Es war möglicherweise die einzige anständige Tat, die du in deinem ganzen Leben getan hast, obwohl es einige Leute gibt, die beschwören würden, daß du dabei die Finger kreuztest, als wolltest du einen bösen Fluch von dir abwenden. Nun, jetzt steht uns die nächste Kraftprobe bevor, John, Eure Majestät, ganz nach Belieben. Du wirst dich bei Abdullah entschuldigen, weil er ein Recht darauf hat. Wenn du das nicht tust, werde ich eine Sondersitzung des Rates einberufen, um überprüfen zu lassen, ob du als Mitkonsul von Parolando noch tragbar bist!«

John starrte ihn mindestens eine Minute lang wortlos und wütend an. Dann erwiderte er: »Deine Drohungen schrecken mich nicht. Aber es ist wohl offensichtlich, daß du eher dazu bereit bist, unser Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen, als gegen Soul City ins Feld zu ziehen. Ich verstehe diesen Schwachsinn nicht, aber es ist für einen rational denkenden Menschen schon immer schwierig gewesen, sich in der Irrationalität zurechtzufinden. Ich werde mich also entschuldigen. Warum auch nicht? Ein König kann es sich immer leisten, sich einem Menschen von niedriger Abkunft gegenüber großzügig zu zeigen. Es kostet ihn nichts und stärkt außerdem noch sein Ansehen.«

Er stand auf und ging hinaus. Sein Leibwächter folgte ihm auf dem Fuße.

Zehn Minuten später erfuhr Sam, daß John die schwarze Delegation in ihren Quartieren aufgesucht und um Verzeihung gebeten hatte. Abdullah X hatte seine Entschuldigung zwar entgegengenommen, hatte dabei aber äußerst unwillig gewirkt. Fraglos hatte man ihn dazu gezwungen.

Kurz bevor die Fabrikpfeifen das Ende der Mittagspause ankündigten, trat Cawber ein und nahm Platz, ohne darauf zu warten, daß man ihm einen Stuhl anbot. Sam runzelte die Stirn, denn so hatte sich Cawber noch nie verhalten. Irgend etwas an seinem Verhalten hatte sich verändert. Sam, der ihn nicht aus den Augen ließ und sorgfältig seinen Worten lauschte, kam schließlich zu dem Schluß, daß hier ein Mann vor ihm saß, der sich dazu durchgerungen hatte, nie wieder ein Sklave zu sein.

Cawber wußte, daß er für Soul City eine Art Kundschafterfunktion ausübte. Er beugte sich vor, legte seine langen schwarzen Arme auf die Lehnen und spreizte die Finger. Dann lieferte er seinen Bericht. Er sprach Esperanto und drückte sich dabei, wie die meisten Leute, im Präsens aus, wobei er hin und wieder ein Verb einwarf, das anzeigte, ob er von der Zukunft oder der Vergangenheit sprach.

Cawbers Team hatte mittlerweile mit jedem der schätzungsweise dreitausend Köpfe umfassenden Gruppe derjenigen Bürger gesprochen, die zweifelsfrei Neger waren (es bestanden noch einige Unklarheiten über den Status einiger Frühmenschen). Ein Drittel der Befragten hatte sich willig gezeigt, in Hackings Reich überzusiedeln, obwohl sich darunter niemand befand, der besonders begeistert darüber war, gegen dessen unwillkommene Bürger ausgetauscht zu werden. Die meisten der in Parolando lebenden Schwarzen stammten aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert. Die restlichen führten an, daß sie schon deswegen hier bleiben wollten, weil sie einer Arbeit nachgingen, die ihnen hohes Prestige verschaffte, und der Meinung waren, gegenüber den Weißen in diesem Gebiet nicht zu kurz zu kommen, oder sich ganz einfach die Chance nicht entgehen lassen wollten, irgendwann in die Mannschaft des geplanten Schiffes aufgenommen zu werden.

Das letztere war möglicherweise das ausschlaggebendste Motiv, vermutete Sam. Er war nicht der einzige, dem dieser Gedanke ständig Auftrieb gab, das Schiff geisterte durch die Träume der Menschen wie ein leuchtendes Juwel, das während des Schlafes durch ihr Bewußtsein segelte.

Schließlich lud man die schwarze Delegation in den Konferenzraum ein. Firebrass selbst verspätete sich etwas. Er hatte sich das im Bau befindliche Flugzeug angesehen und zeigte sich angesichts des altmodischen Designs, der Zerbrechlichkeit und Langsamkeit der Maschine ziemlich amüsiert. Dennoch war er ehrlich genug zuzugeben, daß er von Richthofen, der sie fliegen würde, ein wenig beneidete.

»Sicher wird sich auch Ihnen eine Möglichkeit bieten, die Maschine zu fliegen«, meinte Sam. »Vorausgesetzt natürlich, daß Sie noch hier sind, wenn sie…«

Firebrass wurde wieder ernst. »Was den Vorschlag meiner Regierung angeht, Gentlemen: Haben Sie schon eine Entscheidung getroffen?«

Sam sah John an, der ihm mit einem Zeichen zu verstehen gab, daß es an ihm sei, die Verhandlungen zu führen. Offenbar wollte er vermeiden, daß es wieder an ihm hängenblieb, wenn irgend jemand zu der Ansicht gelangen sollte, er sei verletzend behandelt worden.

»Wir haben hier eine Demokratie«, erklärte Sam. »Deswegen ist es uns unmöglich, Bürger unseres Staates per Dekret auszubürgern. Dies wäre nur in solchen Fällen möglich, in denen jemand gegen die geltenden Gesetze verstoßen hätte. Wie ich – oder wie wir – die Dinge sehen, steht es jedem unserer Bürger frei, zu Ihnen überzusiedeln, wenn er das Verlangen danach hat. Ich glaube, daß wir uns darüber schon grundsätzlich bei unserem ersten Zusammentreffen geeinigt haben. Es wird also die Aufgabe Ihrer Regierung sein, mit jedem unserer Bürger individuell zu verhandeln. Was Ihre Araber, Draviden und so weiter angeht, so sind wir bereit, es mit ihnen zu versuchen, wenn sie hier leben wollen. Aber wir behalten uns das Recht vor, sie wieder an die Luft zu setzen, wenn sie sich nicht unseren Vorstellungen gemäß verhalten. Und wohin sie dann gehen, bliebe allein ihnen überlassen.«

»Nun«, warf Firebrass ein, »ich könnte mir allerdings auch nicht vorstellen, daß Hacking jeden mit offenen Armen empfängt, nur weil er eine schwarze Haut hat.«

»Was ist eigentlich mit den Rohstofflieferungen los?« fragte Sam. »Wird während dieser Verhandlungen bei Ihnen überhaupt weiter abgebaut?«

»Das weiß ich wirklich nicht«, entgegnete Firebrass. »Ich bezweifle es, aber um mir völlige Klarheit zu verschaffen, müßte ich erst mit Hacking reden. Was Sie natürlich nicht dazu verleiten sollte, jetzt Ihrerseits die Erz- und Waffenlieferungen einzustellen, bevor die Mineralienpreise steigen.«

»Ich stelle fest, daß Sie anstelle von möglichen Preissteigerungen von bestimmten gesprochen haben«, sagte Sam.

»Alles was ich hier sage, bedarf weiterer Rückversicherungen und endgültiger Entscheidungen«, meinte Firebrass lächelnd.

Anschließend einigte man sich darüber, daß Cawber, sobald die Charta geändert worden war, als Botschafter Parolandos zu Hacking gehen sollte. Also hing immer noch alles in der Luft, und Sam Clemens wurde den Eindruck nicht los, daß Firebrass überhaupt kein Interesse daran hatte, die Verhandlungen schnellstens hinter sich zu bringen. Eher war das Gegenteil der Fall: Der Mann ließ keinerlei Unwillen über die schleppend vorangehenden Verhandlungen erkennen und hakte nie nach, um auf dem laufenden zu bleiben. Offenbar hatte er vor, noch eine Weile in Parolando zu bleiben. Den Grund dafür konnte Sam sich leicht denken: Bestimmt hatte man ihm befohlen, das Land auszuspionieren. Vielleicht war er auch gekommen, um ihnen einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Als die Konferenz beendet war, diskutierte Sam die Verhandlungen mit John. Der Ex-König vertrat ebenfalls die Ansicht, daß Firebrass als Spitzel zu ihnen gekommen war, aber er konnte sich nicht vorstellen, wie er ihnen Schwierigkeiten bereiten wollte.

»Ich habe eher den Eindruck, daß ihn nichts mehr interessiert, als daß wir das Schiff so schnell wie möglich fertig stellen. Und je eher es fertig ist, desto eher wird Hacking versuchen, es an sich zu reißen. Hast du etwa einen Moment lang daran gezweifelt, daß er nicht die Absicht hat, uns das Schiff wegzunehmen? Glaubst du etwa, daß auch nur einer unserer unmittelbaren Nachbarn nicht mit dem Gedanken spielt, uns zu überrumpeln? Arthur hat nur deswegen so verfrüht zugeschlagen, weil er mich haßte. Er hätte warten sollen, bis die Arbeiten sich dem Ende nähern, und dann mit Kleomenes und den Ulmaks in einem Überraschungsangriff unter Zusammenziehung aller Kräfte zuschlagen müssen. Seine Voreiligkeit hat nur dazu geführt, daß er und Kleomenes jetzt tot sind und Iyeyasu ihre Länder überfiel, noch während ihre Nachfolger um die Macht stritten.«

»Laut den Berichten unserer Spione hat Iyeyasu alle Chancen, den Kampf zu gewinnen«, sagte Sam.

»Wenn er seinen Staat mit den beiden anderen zusammenschweißt«, erwiderte John, »haben wir es mit einem ernstzunehmenden, nicht zu unterschätzenden Gegner zu tun.«

Einem Gegner wie dir, John Lackland, dachte Sam. Von allen Leuten, die ich, sobald das Schiff vom Stapel läuft, im Auge behalten werde, wirst du derjenige sein, auf den ich mein Hauptaugenmerk richte…

Firebrass gab bekannt, daß während der laufenden Verhandlungen mit seinem Regierungschef seine Begleiter und er als offizielle Botschafter in Parolando zurückbleiben würden.

»Es ist nett, Sie hier zu haben«, sagte Sam, »zumal ich weiß, daß Soul City über ihre eigenen Industrien verfügt. Es ist mir nicht unbekannt, daß man dort aus dem von uns eingehandelten Erz vorzugsweise Waffen herstellt. Zumindest sagen unsere Spione das.«

Firebrass warf ihm zuerst einen überraschten Blick zu, dann lachte er lauthals los. »Da schnallst du ab, Mann!« sagte er dann auf englisch und fügte auf esperanto hinzu: »Na ja, warum sollten wir nicht offen sein? Sie gefallen mir. Sicher, wir wissen, daß Sie Ihre Spione auch bei uns haben – ebenso, wie Sie wissen, daß auch in Parolando einige Leute für uns arbeiten. Wer hat denn keine Spione in seinen Nachbarländern sitzen? Aber ich habe nicht verstanden, auf was Sie da eben anspielten.«

»Sie sind – technologisch gesehen – der bestausgebildetste Mann, den Hacking hat. Sie sind Doktor der Naturwissenschaften und Physiker und damit möglicherweise der einzige Mann, der in der Lage ist, die hiesige Lage richtig zu beurteilen. Warum hat Hacking Sie zu uns geschickt, wenn er Sie zu Hause viel dringender braucht?«

»Ich bin der Meinung, man sollte sich für alles die nötige Zeit nehmen. Zu Hause braucht man meine Mitarbeit derzeit nicht. Es wurde mir langweilig; deswegen kam ich her. Das ist alles.«

»Damit Sie sehen können, wie weit wir mit unseren Handfeuerwaffen, dem Flugzeug, dem Amphibienfahrzeug und dessen Dampfkanone sind?«

Firebrass nickte lächelnd. »Sicher. Warum auch nicht? Wenn ich diese Dinge nicht zu Gesicht bekommen hätte, hätte ein anderer sie gesehen.«

Sam entspannte sich und sagte: »Rauchen Sie eine Zigarre. Sie können sich ansehen, was Sie wollen. Wir produzieren hier außer dem, was Sie sowieso erwartet haben, nichts; abgesehen vielleicht von der Dampfkanone. Und die ist, nebenbei gesagt, meine Erfindung. Begleiten Sie mich. Ich bin ziemlich stolz auf sie und möchte, daß Sie sie sich ansehen. Sie ist beinahe fertig.«

Die Feuerdrache 1 ruhte immer noch in den Gerüsten ihrer hölzernen Werft. Sie war silbergrau und ziemlich flach und hatte an jeder Seite sieben große Metallräder mit Kunststoffbereifung. Zwei abgedeckte Schiffsschrauben ragten aus ihrem Heck. Das Boot war dreißig Fuß lang, zehn breit und zwölf hoch. Drei turmartige Aufbauten ragten aus dem Oberdeck: Eins davon war für den Steuermann, den Kapitän und den Funker (obwohl Parolando im Moment noch nicht über Funk verfügte). Der Mittelaufbau war höher als die anderen, und aus ihm ragte der Lauf einer kurzen, stummelförmigen Waffe heraus, die jetzt noch von einer hölzernen Tarnkonstruktion verdeckt wurde. Der dritte Turm war für ein Schützenkommando gedacht, das mit Mark-I-Pistolen oder eventuell Gewehren ausgestattet sein würde.

»Das Amphibienfahrzeug verbrennt Methylalkohol, um Dampf zu erzeugen«, erklärte Sam. »Lassen Sie uns durch die Falltür da hinten einmal hineingehen. Sie werden feststellen, daß der Kessel ein gutes Drittel des gesamten Innenraums einnimmt. Aber dafür gibt es einen guten Grund, wie Sie gleich sehen werden.«

Über eine Leiter erreichten sie das Innere des Geschützturms. Er wurde von einer einzigen Glühbirne erhellt. Firebrass zeigte sich überrascht: Glühbirnen hatte er auf dieser Welt bisher noch nicht gesehen. Sam erklärte ihm, daß sie von einer Batterie gespeist würde.

»Und hier haben wir unsere vortreffliche Dampfkanone«, sagte er und deutete auf das aus dem Turm herausragende graue Metallrohr. An der Unterseite der Kanone befand sich ein pistolenähnlicher Griff mit Abzug. Firebrass nahm die Position des Schützen ein, legte eine Hand um den Pistolengriff und warf einen Blick durch die oberhalb des Laufs befindliche Sichtöffnung. Dann hob und senkte er das Kanonenrohr mehrere Male.

»Wir werden noch einen Sitzplatz für den Kanonier anbringen«, erklärte Sam. »Dann kann er die Waffe in jede gewünschte Richtung drehen, indem er einfach ein paar Pedale betätigt. Man kann die Kanone bis zu zwanzig Grad nach oben oder unten schwenken. Der Dampf aus dem Kessel treibt die Plastikkugel an. Die Kanone wird mit offenem Verschluß abgefeuert – das heißt, das Geschoß ist noch nicht im Lauf, wenn der Abzug betätigt wird. Wird er betätigt, löst er eine Sperre, und der Verschluß wird durch eine Feder nach vorn geschleudert. Während dieser Bewegung löst der Verschlußblock eine Plastikkugel aus ihrer Halterung im Magazin und schiebt sie in den Lauf. In dem Moment, in dem der Verschlußblock den Verschluß erreicht, gleiten die seitlichen Führungen in die Nuten, drehen den Block um neunzig Grad, und der Verschluß ist zu. Verstanden?«

Firebrass nickte.

»Gut. Sobald die Drehung des Verschlußblocks ausgeführt ist, hat gleichzeitig der in den Block gebohrte Kanal Verbindung mit dem Rohr der Dampfzuleitung. Der Dampf, etwa 130 bis 150 Grad heiß, strömt in die Kammer zwischen Verschlußblock und Geschoß und treibt dieses aus dem Lauf. Und gleichzeitig wirkt der Dampfdruck auf den Block zurück, löst ihn aus seiner Verankerung, treibt ihn zurück, spannt die Feder und öffnet den Verschluß. Da der Block aber wesentlich schwerer als das Geschoß ist, öffnet sich der Verschluß nicht, bevor die Kugel den Lauf verlassen hat.

Sowie der Block zurückfährt und seine Drehung um 90 Grad rückwärts ausführt, wird gleichzeitig die Dampfzufuhr abgeriegelt. Solange der Abzug betätigt ist, wiederholt sich dieser Vorgang unaufhörlich, und die Kanone feuert automatisch.«

Firebrass war sichtlich beeindruckt und stellte Sam mehrere fachtechnische Fragen, die bewiesen, daß er – im Gegensatz zu manch anderem Mitarbeiter, wie Sam lächelnd ausführte – die Erklärungen seines Gastgebers durchaus verstand.

Schließlich meinte er: »Ich bin wirklich überrascht, Sinjoro Clemens. Aber glauben Sie nicht, daß dieses Geschütz noch effektiver funktionieren würde, wenn seine Eigentemperatur ebenso hoch wäre wie die des einströmenden Dampfes? Denn dann würde man weniger Energie aufzuwenden haben, um die Kanone zu heizen. Die so eingesparte Energie könnte der Plastikkugel mehr Geschwindigkeit verleihen. Ah, jetzt verstehe ich! Den Lauf umgibt ein Hohlmantel, den der Dampf durchläuft, ehe er in die Waffe selbst eindringt, stimmt’s?«

»Ja. Eine Isolierschicht aus Mörtel, mit Holz verschalt. Sehen Sie sich die Ladeklappe an. Sie erlaubt es, die Kanone wenige Sekunden vor dem Abfeuern aufzuheizen. Wenn das nicht geschähe, könnte die Waffe blockiert werden. Und da ihre Maximaltemperatur die gleiche Höhe erreicht wie der Kesseldampf, verhindern wir, daß uns das Ding durchbrennt. Man kann das Geschütz wie eine Feuerspritze benutzen. Und tatsächlich wird sie so gehandhabt auch die höchste Effektivität erzielen. Die Zielgenauigkeit einer leichten Plastikkugel mit solch relativ niedriger Mündungsgeschwindigkeit ist nicht sehr hoch.«

Die Erkenntnis, daß Parolando aufgrund der militärischen Überlegenheit allein des Amphibienfahrzeugs unbesiegbar werden würde, schien Firebrass nicht im geringsten zu deprimieren. Möglicherweise lag das aber auch daran, daß er sich schon jetzt mit dem Gedanken trug, für sein eigenes Land ein Fahrzeug der gleichen Art zu konstruieren. Da Parolando bereits eines besaß, vielleicht sogar zwei, würde das nichts anderes bedeuten, als daß man in Parolando dazu übergehen würde, sich drei Amphibienfahrzeuge zuzulegen.

Natürlich konnte Soul City Parolando in dieser Hinsicht nicht übertreffen. Andererseits hatte es keinen Sinn, dem anderen Staat die Metalllieferungen zu kürzen. Hacking konnte ganz einfach damit kontern, indem er sie von den Mineralien abschnitt, die sie selbst so dringend brauchten: Bauxit, Kryolith, Platin und Iridium.

Die Heiterkeit und Freude, die Sam dabei empfunden hatte, als er Firebrass seine tödliche Erfindung vorführte, verschwand beinahe augenblicklich. Wenn Soul City wirklich mit einem Wettrüsten begann, würde Parolando nur eine einzige Lösung verbleiben: Es mußte den Gegner vernichten und sich den Besitz der Mineralien sichern. Das wiederum würde den Bau des Schiffes verlangsamen und zu Schwierigkeiten mit Publiujo und Tifonujo führen, jenen beiden Staaten, die zwischen Parolando und dem Machtbereich Hackings lagen. Wenn diese beiden Nationen sich zusammentaten, stellten sie – besonders unter dem Aspekt, daß Parolando sie im Austausch für ihr Holz mit metallenen Waffen versorgt hatte – einen gewichtigen Machtfaktor dar.

Allein diese potentielle Gefahr, dachte Sam, ist schlimm genug.

Mehrere Tage darauf hatte Iyeyasu seine Eroberungskriege beendet und schickte einen Kurier nach Parolando, der Sam erklärte, daß er nichts verlange, über das man sich nicht einigen könne. In gewisser Beziehung reinigten seine Vorschläge sogar die Luft, denn er erklärte zwar, daß seine Ländereien jetzt genug Bäume verloren hätten und er es jetzt erst einmal darauf anlege, sie nachwachsen zu lassen – andererseits sei er jedoch durchaus bereit, Parolando mit einer weiteren großen Lieferung von Holz und Exkrementen für die Schießpulverproduktion unter die Arme zu greifen; vorausgesetzt, man zahle einen angemessenen Preis in Waffen. Er wollte jene Territorien, die den seinigen gegenüber lagen, überfallen und den Menschen dort ihr Holz abnehmen.

Natürlich liefe das darauf hinaus, daß man ihn, Iyeyasu, für etwas bezahle, das er seinen Nachbarn stahl; aber angesichts der Tatsache, daß es Sams Männer erspart bliebe, selbst in den Krieg zu ziehen und zu rauben, sei dies immer noch ein annehmbarer Preis. Und Sam würde endlich wieder ruhig schlafen können, weil es nichts mehr gab, was ihn am Grübeln hielt.

John Lackland bezeichnete diesen Vorschlag als ausgezeichnet. »Unsere Werke stellen genügend Waffen her«, sagte er. »Wir können es uns doch erlauben, etwas mehr davon zu exportieren. Außerdem können wir eine ganze Flotte von Feuerdrachen bauen. Dann können die Schwerter, die wir Iyeyasu geben, zumindest uns nichts mehr anhaben.«

»Und wann, wenn ich fragen darf, wollen wir endlich mit der Realisierung unseres ursprünglichen Projekts anfangen?« fragte Sam.

Er erhielt zwar keine Antwort auf seine Frage, aber am nächsten Tag kamen van Boom, Welitskij und O’Brien, die Chefingenieure, zu ihm und legten die ersten Skizzen vor. Man hatte sie schwarz auf weiße Plastiktafeln gezeichnet, und zwar mit einem neuen Schreibgerät, das mit einer Batterie verbunden war: Das magnetische Feld an der Spitze des Schreibers gruppierte die ungebundenen und sehr feinen Partikel innerhalb ihrer Reichweite einfach um. Die Linien, die das Gerät zog, blieben solange erhalten, bis sie von einem Umkehrfeld wieder gelöscht wurden. Damit war die Papierknappheit ein Problem der Vergangenheit; jetzt konnte jeder gezeichnete Plan nach Belieben geändert werden.

Firebrass äußerte die Ansicht, daß er gerne beim Bau des Flußbootes helfen würde, und man erlaubte es ihm, obwohl John zunächst gegen ihn opponierte. Sam hielt ihm vor, daß jede Art von Hilfe auch die Fertigstellung des Schiffes begünstige und er außerdem nicht einsähe, wieso das Wissen, das Firebrass über das Schiff besaß, ihm das Stehlen erleichtern sollte. Was er sich im stillen dachte, sprach er natürlich nicht aus: Er hatte den Plan, Firebrass dermaßen in die Arbeit miteinzubeziehen und ihn so für seine Sache zu begeistern, daß er schließlich ein Angebot, auf der Nicht vermietbar eine Koje zu beziehen, nicht mehr ablehnen konnte.

Die Maschinen, deren Aufgabe es sein würde, die ersten Stahlplatten für die Schiffshülle zu produzieren, waren beinahe fertig. Eine Woche zuvor hatte man den Damm seiner Bestimmung übergeben, und jetzt füllte das aus den Bergen herabkommende Wasser den darunterliegenden Stausee allmählich auf. Die Aluminiumleitungen, die der Wasserüberlauf des Dammes speisen würde, wurden verlegt. Der Prototyp des Batacitors (er würde vier Stockwerke hoch werden) konnte in vier Wochen die Arbeit aufnehmen, vorausgesetzt, daß das Material nicht ausging.

Ein paar Tage später tauchten in Parolando fünfhundert Missionare der Kirche der Zweiten Chance auf und baten um Asyl. Iyeyasu hatte sie aus seinem neugeformten Staat verbannt und ihnen mit peinlicher Folter gedroht, wenn sie es wagen sollten, sich seiner Anweisung zu widersetzen oder jemals zurückzukehren. Es dauerte eine Weile, bis Sam von dem Auftauchen dieser Leute erfuhr, da er sich zur Zeit ihrer Ankunft gerade am Damm aufhielt.

Als John ihnen die Nachricht übermitteln ließ, daß sie auf der Stelle weiterziehen sollten, weigerten sie sich. Als John Lackland dies hörte, lachte er wölfisch, raufte seine gelbe Löwenmähne und stieß seinen Lieblingsfluch aus: »Bei Gottes Gebiß!«

Unterdessen inspizierte Sam Clemens die letzten Arbeiten an der Staumauer, die darin bestanden, daß die Männer einige absichtlich in die Mauer eingebrachte Vertiefungen mit Sprengstoff füllten. Er verfolgte damit die Absicht, in jedem Fall einer Gefahr – und dabei dachte er an eine feindliche Invasion – noch einen letzten Trumpf im Ärmel zu haben, auch wenn dieser möglicherweise selbstmörderisch aussah.

Schließlich rannte von Richthofen auf ihn zu. Er keuchte und schwitzte und berichtete von den unfreiwilligen Emigranten und deren Entschluß, hier bleiben zu wollen. Von John sagte er nichts.

Sam beauftragte Lothar, den Chancisten zu sagen, daß er gegen Abend zu ihnen hinunterkommen würde. Sie sollten auf ihn warten, aber bloß nicht auf die Idee kommen, sich weiter als zwanzig Yards von dem Gralstein zu entfernen, an dem sie angelegt hatten. Einen Moment lang spielte er sogar mit dem Gedanken, sie auf der Stelle des Landes zu verweisen und es seinen Männern zu erlauben, sie ein wenig mit den Spitzen ihrer Schwerter zu kitzeln, um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen, und das lag nicht nur daran, weil er gerade mit Zementstaub bedeckt war und unter der Hitze litt, sondern er konnte die Chancisten tatsächlich nicht ausstehen. Nun befand sich die Menschheit zum ersten Mal in einer Welt, in der sie weder Fliegen noch Moskitos störten – und schon strömten die Prediger zusammen, um diese Lücke zu füllen.

Das Rumpeln und Quietschen der gewaltigen Zementmischmaschinen, der Lärm der Hammerschläge, die schabenden Geräusche zahlloser Schaufeln und das Geklapper der eisernen, mit Holzrädern versehenen Schubkarren verhinderten zudem, daß die krachenden Explosionen, die eine halbe Stunde später die Ebene erzittern ließen, überhaupt an sein Ohr drangen. Er wußte nichts von dem, was geschehen war, und erfuhr es erst, als von Richthofen erneut zu ihm heraufeilte.

Es kam über ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. John Lackland hatte die neuen Pistolen an den Chancisten ausprobiert. Einhundert Mark-I-Waffen hatten beinahe fünfhundert Männer und Frauen innerhalb von drei Minuten vom Leben zum Tode befördert. John selbst hatte zehnmal nachgeladen und seine Pistole abgefeuert; mit den letzten fünf Kugeln hatte er sogar auf Verwundete angelegt.

Etwa dreißig Frauen – und zwar die allerschönsten – hatte er verschont. Man hatte sie in seinen Palast gebracht.

Noch ehe er das Flußufer erreichte, sah Sam aus der Ferne die Menschenmenge, die sich in der Umgebung des Gralsteins versammelt hatte. Er schickte Lothar voraus, der ihm den Weg freimachen sollte. Die Menge teilte sich vor ihm, wie einst das Rote Meer vor Moses, aber sie schloß sich wieder hinter ihm, bevor er ihr Ende erreicht hatte. Man hatte die Leichen inzwischen nebeneinander aufgereiht. Überall war Blut, zerfetztes Fleisch. Die großkalibrigen Kugeln hatten zahlreichen Opfern die Knochen zerschmettert. In den siebenundneunzig Jahren seines Lebens war Sam der Tod niemals in einer solchen Stille begegnet. Er schien über ihnen zu schweben wie eine unsichtbare, furchteinflößende Wolke. Der Mund, der nie wieder sprechen würde, das Bewußtsein, das nicht mehr dachte…

Nicht einmal der Gedanke, daß diese Leute am nächsten Tag wieder an anderer Stelle zu einem neuen Leben erwachen würden, konnte ihm Erleichterung verschaffen. Die Betroffenheit, die der Tod hervorrief, konnte auch nicht dadurch abgeschwächt werden, daß man ihn intellektualisierte.

John war bereits dabei, Anweisungen zu geben, wie mit den Leichen zu verfahren war: Nachschub für die Seifen- und Hautverwertungsstellen. Als Sam sich ihm näherte, grinste er wie ein Schuljunge, der nichts Schlimmeres getan hat, als einer Katze eine Blechdose an den Schwanz zu binden.

»Das war ein Massaker!« schrie Sam. »Ein Massaker! Überflüssig und unentschuldbar! Dafür war nicht der geringste Grund vorhanden, du blutrünstiges Ungeheuer! Und etwas anderes bist du nie gewesen, du ekelhafte Ratte! Du Schwein! Schwein! Schwein!«

John gefror das Lächeln auf den Lippen. Als Sam mit geballten Fäusten näher kam, tat er einen Schritt zurück. Der riesenhafte, starkknochige Zaksksromb stellte sich Sam in den Weg. Er hielt einen überdimensionalen, am Ende mit funkelnden Eisenspitzen bewehrten Knüppel in der Hand.

Lothar von Richthofen schrie plötzlich: »He, du – verschwinde! Wenn du nicht sofort einen Rückzieher machst, rufe ich Joe Miller! Und der erste andere Mann, der Sam aufzuhalten versucht, kriegt von mir höchstpersönlich eine Kugel zwischen die Augen!«

Sam wandte sich um. Lothar hielt seine Pistole in der Hand. Ihre Mündung war auf John gerichtet, der nun deutlich blasser wurde. Er riß die Augen entsetzt auf. Sogar deren Iris schien heller zu werden.

Erst später wünschte Sam sich, Lothar hätte in diesem Augenblick die Gelegenheit genutzt und geschossen. Auch wenn die einhundert Pistoleros John treu ergeben waren – sie hätten möglicherweise doch nicht das Feuer erwidert, wenn ihr Führer den ersten Schuß nicht überlebt hätte. Immerhin wurden sie von mehreren hundert Männern und Frauen umringt, die John nicht mochten und noch ganz unter dem Schock des Gemetzels standen. Vielleicht hätten sich Johns Männer zurückgehalten. Und selbst wenn sie es nicht getan hätten, hätte Sam noch die Chance gehabt, sich zu Boden zu werfen und ihren Kugeln zu entgehen. Aber es war müßig, darüber zu spekulieren.

Und außerdem hatte es keinen Zweck, sich Selbstvorwürfe zu machen: Schließlich hatte er Lothar keine Anweisung dieser Art gegeben.

Sam wurde klar, daß er jetzt ein Exempel statuieren mußte: Wenn er John so einfach davonkommen ließ, würde er nicht nur den Respekt der Leute verspielen, sondern auch sich selbst nicht mehr in die Augen blicken können. Ebenso gut konnte er die Konsulswürde gleich abgeben. Dann war es mit seinem Schiff auf alle Fälle aus.

Langsam drehte Sam den Kopf, ohne John jedoch auch nur den kleinsten Moment aus seinem Blickwinkel zu verlieren. Er sah Livys helles Gesicht und ihre dunklen Augen. Sie sah aus, als stehe sie kurz davor, sich zu übergeben. Sam ignorierte sie und rief Cyrano de Bergerac, der sich – das gezogene Rapier in der Hand – in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt.

»Hauptmann de Bergerac!« rief er und deutete auf John. »Nehmen Sie den Mitkonsul fest!«

Obwohl John eine Pistole in der Hand hielt, schien er es nicht zu wagen, die Mündung anzuheben.

Mit milder Stimme sagte er: »Ich protestiere. Ich habe diesen Leuten befohlen, das Land sofort wieder zu verlassen, und sie weigerten sich. Ich warnte sie – und sie weigerten sich immer noch. Also ordnete ich an, sie zu erschießen. Was ist denn daran so tragisch? Morgen werden sie doch wieder am Leben sein.«

Cyrano marschierte auf John zu, hielt an, salutierte und sagte: »Ihre Waffe, Sire.«

Zaksksromb knurrte und hob seinen Knüppel.

»Nein, Zak«, sagte John Lackland. »Aufgrund der Charta ist es möglich, daß ein Konsul den anderen festnehmen läßt, wenn er glaubt, daß dieser sich nicht der Charta gemäß verhalten hat. Ich werde nicht lange im Arrest sein.«

Er gab Cyrano die Pistole mit dem Griff zuerst, dann legte er seinen Gürtel ab und händigte ihn ebenfalls aus. In den beiden Scheiden baumelten ein langes Messer und ein Kurzschwert.

»Während der Rat über mein Schicksal beschließt, werde ich mich in meinen Palast zurückziehen«, verkündete er.

»Was die Bestimmungen betrifft, muß der Rat innerhalb einer Stunde zusammentreten und nach einer weiteren seine Entscheidung bekannt geben, solange er nicht durch einen nationalen Notstand an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert wird.«

Dann ging er. Cyrano folgte ihm. Johns Männer zögerten zunächst, dann schlossen sie auf einen brüllend ausgestoßenen Befehl Zaksksrombs auf und marschierten auf Johns Palast zu. Sam starrte ihnen nach. Er hatte größeren Widerstand erwartet. Plötzlich wurde ihm klar, daß John es darauf anlegte, ihn zu einer Entscheidung zu zwingen, wenn er es vermeiden wollte, sein Gesicht zu verlieren. Der Ex-König kannte ihn zu gut. Er war sicher, daß Sam kein Interesse daran hatte, eine Entscheidung zu treffen, die das Land in einen Bürgerkrieg stürzen konnte. Und den würde er bekommen, wenn er John von der Macht fernhielt. Adieu, mein Schiff.

John überließ die Sache also ihm alleine. Er wollte es nicht auf eine Kraftprobe ankommen lassen, jedenfalls nicht jetzt. Im Moment war sein Blutdurst gestillt. Wenn die Ratsversammlung zusammentrat, würde das Ergebnis besagen, daß John innerhalb seiner Rechte gehandelt hatte. Moralisch natürlich nicht, obwohl seine Speichellecker auch darauf bestehen würden. Wie man die Sache auch drehte und wendete, die Chancisten würden am nächsten Tag wieder unter den Lebenden weilen, und die Lektion, die man ihnen erteilt hatte, würde andere vielleicht abschrecken. Und schließlich würde Sam sogar zugeben müssen, daß dieser Zustand allzu schlecht auch nicht war, denn wenn die Chancisten weiterhin ihrer Missionierungstätigkeit nachgingen, würde das Schiff niemals fertig werden. Die Möglichkeit, daß jene Staaten, die die Missionare weniger aufgeweicht hatten, die Möglichkeit nutzten und Parolando überfielen, bestand immer.

Und er, Sam Clemens, würde nach dieser Feststellung als nächstes akzeptieren müssen, daß es deswegen nur rechtens sei, wenn Johns Anhänger damit anfingen, ihnen mißliebige Personen zu foltern. Schließlich erlitten sie dabei ja lediglich Schmerzen und außerdem konnte man jeden, der diese nicht ertrug, dadurch erlösen, daß man ihn umbrachte. Und anschließend würde man dann Vergewaltigungen legalisieren, nach denen man die Frauen tötete, um sie nicht zu schwängern. Wenn ihnen dabei weh getan wurde, war das eben Pech. Bringt sie einfach um, immerhin konnte niemand abstreiten, daß sie am nächsten Tag wieder lebten. Und die geistigen Schäden, die sie dabei davontrugen? – Denen konnte man mit einer Dosis Traumgummi zu Leibe rücken.

Trotzdem, würde Sam daraufhin sagen, geht es hier nicht nur um die Frage des Mordes, sondern auch um die der Menschenrechte: Wenn man einen Menschen tötet, versetzt man ihn gleichzeitig auch gegen seinen Willen an einen Ort, der Jahrzehnte von seinem Zuhause entfernt ist, und bewirkt, daß vor ihm eine Strecke liegt, die er nie wieder überbrücken kann. Man nimmt ihm damit seine Frau, seine Freunde und seine Heimat. Gewalt sei Gewalt und deswegen…

Oho! Er würde auf sich Acht geben müssen!

»Sam«, sagte plötzlich eine Stimme, die in ihm eine Saite zum Erklingen brachte.

Sam wandte sich um. Livy war zwar immer noch blaß, aber ihr Blick sagte, daß sie sich soweit wieder gefangen hatte.

»Sam! Was wird aus den Frauen, die er in seinen Palast gebracht hat?«

»Wo steht mir nur der Kopf?« stöhnte Sam. »Komm her, Lothar«, sagte er dann und winkte Joe Miller zu, der in einiger Entfernung von ihnen über die Ebene herankam. Lothar übernahm das Kommando über hundert Bogenschützen, die gerade ankamen, um sich ihnen anzuschließen.

In der Nähe des Rathauses verlangsamte Sam seinen Schritt. John hatte in der Zwischenzeit sicher auch bemerkt, daß sein Mitkonsul vergessen hatte, nach den entführten Frauen zu fragen, und konnte sich denken, daß Sam bald bei ihm auftauchen würde, um dies nachzuholen. Möglicherweise war der Ex-König deswegen bereit gewesen, sich der Ratsversammlung zu stellen, weil er damit rechnete, mit einem blauen Auge davonzukommen. Aber wenn er den Frauen etwas antat, konnten sich seine Vorausberechnungen leicht als Irrtum erweisen. Wenn seine Gemeinheit und sein Temperament mit ihm durchgingen, konnte er sich auf einen Bürgerkrieg gefaßt machen, der Parolando in Stücke riß.

 

Auf dem Zeitstrom
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